Warum ich bei den Grünen austrete

Ich habe vor einigen Tagen habe ich meine Austrittsmail an die Grüne Partei geschickt. Die Gründe meines Austritts habe ich der Partei ausführlich erläutert. Es soll ja keine:r sagen können, dass man es nicht hätte wissen können. Zwar kann ich mir noch vorstellen, die Grünen taktisch zu wählen, wenn es denn nötig ist. Doch Mitglied sein kann ich dort derzeit nicht. Meine Gründe möchte ich nun auch hier öffentlich machen.


Subject: Warum ich austrete.

From: Lukas Menzel

To: Kreisverband Gruene Darmstadt <kreisverband@gruene-darmstadt.de>

CC: Landesverband Gruene Hessen <landesverband@gruene-hessen.de>

Date: Sun, 29 Sep 2024 14:54:47 +0200

Liebe Grüne des Kreisverbandes,

ich bin 2017 in die Partei eingetreten, weil ich damals einen Punkt gegen Politiker:innen wie Seehofer machen wollte. Zwar sind meine politischen Steckenpferde immer eher Umwelt, Natur und Digitales gewesen. Aber insbesondere die Frage der Menschlichkeit in der Migrationspolitik war für meinen Parteieintritt entscheidend. Die Grünen waren damals die Partei, die sich konsequent und klar gegen die AfD gestellt hat und sie waren mir ansonsten auch thematisch nahe.

Das hat sich geändert. Mir ist klar, dass es bei einem Koalitionspartner wie der FDP (und unter dem Cum-Ex-Kanzler Scholz) schwer ist, vernünftige Politik zu machen. Und auch wenn ich das kommunikative Versagen der Partei in den letzten Jahren mit Kopfschütteln begleitet habe, so habe ich doch – anders als einige andere – einen sozialen Kern bei den Grünen gesehen.

Ein Gefühl dafür wie resigniert und zugleich zynisch die grüne Spitze ist, bekam ich das erste Mal, als ich in meiner Funktion als Beauftragter für nachhaltige Digitalität (und ehemaliger Bundesjugendsprecher) der Naturschutzjugend an einem Event der Bundestagsfraktion zur nachhaltigen Digitalisierung im Paul Löbe Haus teilnahm. Als allererstes fiel mir damals auf, dass bei der Rede Robert Habecks die Frage dieses Zusammenhangs einzig und allein hinsichtlich eines Effizienzgedankens bearbeitet wurde. Keine Rede von einer echten Transformation, keine Rede von der sozialen Dimension der Nachhaltigkeit, keine Rede davon, welche Digitalisierung man überhaupt möchte. Nun gut, das hätte auch an einer:m schlecht informierten Redenschreiber:in liegen könnten. Doch als ich diese Punkte in einer späteren Sitzung bemängelte, bekam ich von der Bundestagsabgeordneten, die die Sitzung leitete (ihren Namen weiß ich leider nicht mehr) nur zu hören: „das ist mit dem Koalitionspartner nicht machbar“. Ich war etwas verwundert, denn ich bin ja auf einer Veranstaltung der Grünen, weil ich wissen will, was grüne Politik ist und nicht, was man mit der FDP nicht machen kann. Dass die nicht liefern, weiß ich selbst.

Dieses Erlebnis erscheint mir heute prototypisch für die grüne Partei. Scheinbar möchte man nun einfach die tödliche Migrationspolitik der Rechten mitmachen, man nimmt Abstand von der Bekämpfung der Ungleichheit (zB durch die Vermögenssteuer, für die es eigentlich mal einen Beschluss gab), man hat sämtliche progressiven und die meisten ökologischen Projekte in der Regierung aufgegeben, man schafft es nicht, Werbung für progressive und/oder grüne Projekte zu machen und es gibt nicht die Spur einer Solidarisierung mit denen, die in diesem Land noch für solche Projekte kämpfen… Mich beschleicht das dringende Gefühl, dass es so etwas wie grüne Politik schlichtweg nicht mehr gibt. Und wenn doch, dann fehlt der Wille. Wenn man sich entschließt, der künstlichen und faktenentrückten Debatte um Migrationspolitik hinterherzulaufen, dann ist das nicht mehr meine Partei. Wenn die Grünen am Ende eine Partei sind, die sich von der CDU lediglich dadurch unterscheidet, dass sie SUV halt elektrisch fährt, während sie hier und da von Solar redet (verstehen Sie mich nicht falsch: ein Kanzler Habeck wäre mir immernoch sehr viel lieber als Merz), dann ist das nicht mehr meine Partei. Wenn man die Ökologie und das Soziale aufgibt, um um jeden Preis mitzuregieren, dann ist das nicht mehr meine Partei.

Ich hatte schon seit einigen Monaten überlegt, auszutreten. Ich haderte mit dem Gedanken. Vielleicht könnte die Partei das Ruder doch noch herumreißen. Doch nun möchte ich den Vorständen der grünen Jugend folgen. Sie haben absolut Recht: die Grünen haben aufgegeben, also gebe ich die Grünen auf.

Darum verkünde ich hiermit meinen Austritt.

Mit freundlichen Grüßen
Lukas Menzel

P.S.: für Rückfragen stehe ich gerne jederzeit zur Verfügung. Meine Kontaktdaten habt ihr ja.